Parcours littéraire

À l’occasion de la campagne électorale pour le Conseil des Etats de cet automne, Hans Stöckli a imaginé quelque chose d’original. Appelons cela Parcours littéraire. Des écrivains et écrivaines connus ou en voie d’être connus sont présentés en une succession aléatoire. Ce qui est prévu, c’est un entretien décontracté sur leur état d’âme, la création, les perspectives d’avenir.

Comme dans une course d’estafettes, le ou la partenaire qui vient d’être rencontré/e fixe la prochaine étape vers laquelle le Parcours dirigera Hans Stöckli. Et cela avec l’accompagnement de Hans-Jörg Tschachtli, l’ami d’école de Hans Stöckli, qui vit actuellement à Wettswil et qui a composé les textes.

Du 20 septembre au 5 novembre, six étapes du Parcours littéraire ont d’abord conduit, avec Pedro Lenz, de Berne à Olten, puis de nouveau à Berne chez Matto Kämpf. Ensuite, de la Vieille Ville de Bienne avec Noemi Samalvico, à la Vieille Ville de Berthoud chez Wilfried Meichtry. Enfin – après que le premier tour des élections ait déjà clarifié les choses – du Jardin botanique de Berne avec Sandra Künzi jusque chez Thierry Luterbacher, à Mâche dans la périphérie de Bienne. Tous les participants se retrouvant finalement à Berne le 15 novembre, jour de l’élection, pour une dernière étape de lecture.

1) Pedro Lenz, Hauptbahnhof Bern / Olten

Zum Auftakt des Literatur-Parcours trifft Hans Stöckli Pedro Lenz, bekannt aus den Morgengeschichten im Schweizer Radio und gerade auch jetzt in aller Munde als Autor des Films «Der Goalie bin ig». Der subtile und durchaus doppeldeutige Titel «Der Goalie bin ig» ist natürlich grosses Gesprächsthema. Hans Stöckli trifft ihn im «tibits» vor dem Hauptbahnhof Bern. Dank seiner Grösse ist er nicht zu übersehen. Schon bald ist man in einem munteren Gespräch. Pedro Lenz kommt aus einem Gespräch vom Fussballverein YB. Dort ist er Mitglied in einer Art Trägerschaft, die verschiedene Anspruchgruppen repräsentiert. Fussball ist sein Ding, obschon er sich als gebürtiger Langenthaler eher dem Eishockey hätte zuwenden können. Aber die frühen Besuche im Wankdorf mit seinem Vater haben ihn geprägt.Der subtile und durchaus doppeldeutige Titel «Der Goalie bin ig» ist natürlich grosses Gesprächsthema. Zum einen kann der Goalie das Spiel ja auch als Letzter retten, ist sozusagen die letzte Bastion und Hoffnungsträger, zum andern werden im Fussballspiel unter Jungen, diejenigen ins Tor gewählt, denen man nicht so viel zutraut. Geh ins Goal heisst es etwa, damit du auf dem Feld nicht zu viel Schaden anrichten kannst. Das kann gut etwas Abwertendes für die Person sein. Allerdings darf er immerhin beim Spiel dabei sein…

Später fährt Hans Stöckli mit Pedro Lenz im Zug nach Olten, wo Pedro am Abend eine Lesung haben wird. In der Unterhaltung zeigt sich, dass Pedro Lenz in der Schweizer Literatur gut eingebunden ist. Er kennt und kannte sie alle, die Grossen der Literatur: Erica Pedretti, Peter Bichsel, Jörg Steiner, Max Frisch, Otto F. Walter. Erhellende Anekdoten hat er mit allen erlebt und weiss sie auch zu schildern.

Nicht zufällig wohnt Pedro Lenz in Olten. Er, der so oft auf Reisen ist, hat Olten als Verkehrsknotenpunkt zum Wohnort gewählt. Hier hat er eine Wohnung über einer Beiz, an der er beteiligt ist. Nach langer Durststrecke als Langstreckenläufer ist er wohl wie angekommen. Er spricht offen darüber, dass sich grosse persönliche Freiheit und Gestaltungsfreiraum mit ökonomisch zufriedener Lebensgestaltung vereinbaren lassen. Geplant ist ein grösserer Roman, der wohl im Herbst 2016 erscheinen wird. Es ist sicher, dass eine grosse Gemeinschaft darauf erwartet. Hans Stöckli, der politische Entscheidungsträger, verabschiedet sich herzlich von Pedro Lenz, der eine politische Meinung und entsprechende Aussage hat. Pedro Lenz zieht sich zurück, um systematisch und in Ruhe seine Lesung vorzubereiten.

Der Parcours geht weiter: Pedro Lenz hat Matto Kämpf vorgeschlagen. Der Termin dafür wurde auf den Montag, 5. Oktober 2015 in Bern festgelegt und Hans Stöckli ist auf die nächste Begegnung gespannt.

2) Matto Kämpf, Bern

Im Rahmen des Literatur-Parcours führte der Weg Hans Stöckli in ein ruhiges Berner Quartier. In einer angenehm verwohnten Wohnung trifft er auf den von Pedro Lenz vorgeschlagenen nächsten Gesprächspartner Matto Kämpf: Ein Tausendsassa und im positiven Sinn ein Hans Dampf in allen Gassen. Man wird gar nicht fertig mit Aufzählen, womit Matto Kämpf sich nach seiner langen Sprachlehrerzeit jetzt ausschliesslich beschäftigt. Oder sollte man sagen, welchen vielfältigen Medien er sich bedient, um ein Publikum zu erreichen? Matto Kämpf ist Autor, Filmer und Theatermacher. Bei einem breiteren Publikum ist er etwa von den TV-Auftritten bei Aeschbacher und Giacobbo/Müller noch in guter Erinnerung.

Eines seiner grossen Themen ist die Herkunft. Er stammt aus dem Berner Oberland, aus Thun oder präzisierer – worauf vor allem vieldeutig seine familiäre Umgebung Wert legt – aus Steffisburg. In seiner Erbauungsschrift «Kanton Afrika» definiert er das Berner Oberland ein mit Tannen bewachsener Unsinn. Das muss zweimal gelesen werden. Die eigenen Bilder vom Berner Oberland und von Thun mit dem Schloss und von Steffisburg sind doch ganz anderer Art. Friedlich, lieblich, gemütlich, behäbig drängen sich bei Beschreibung auf. Aber unsinnig? Was Matto Kämpf wohl damit meint? Diese schräge, skurrile, innovative Betrachtungsform von Altbekanntem und Bewährtem macht wohl einen grossen Teil der Kunstfertigkeit von ihm aus.

Nach eigenen Worten kann er von Lesungen, Veröffentlichungen und Theateraufführungen ganz gut leben und gibt sich in sich geruht zufrieden. Doch es ist beileibe keine naive Zufriedenheit. Er hat eine pointierte politische Überzeugung und würde wohl nicht bestreiten, dass er in weiten Teilen die politischen Ansichten und die dieser Ansicht entsprechende Arbeit im Ständerat von Hans Stöckli teilt.

Mit seiner bernerischen Behäbigkeit und gegen die Norm gerichteten Wortwahl erreicht Matto Kämpf eine Kunstform, die uns wohl auch in Zukunft noch mehr begegnen wird.

Die Wurzeln des künstlerischen Schaffens von Matto Kämpf liegen in der sogenannten Poetry-Slam. Vor Publikum, das auch die Jury stellt, werden von den Protagonisten kurze Texte gelesen und eben entsprechend juriert. Dieser so beschränkte Rahmen verlangt selbstredend möglichst aussagekräftige und informative Texte, die unverzüglich die Aufmerksamkeit des Publikums erreichen müssen.

Mit seiner bernerischen Behäbigkeit und gegen die Norm gerichteten Wortwahl erreicht Matto Kämpf eine Kunstform, die uns wohl auch in Zukunft noch mehr begegnen wird. Viele werden sich auch wie Hans Stöckli an das Experiment Schneuwly im Schweizer Fernsehen erinnern. Die Serie des biederen Ehepaars in der grossen Welt da draussen hat polarisiert. Allerdings scheint die Publikumsgunst Hansjörg Schneuwly und Margrit zugefallen zu sein: Für den Monat November sind im Schweizer Fernsehen fünf weitere Folgen geplant.

Matto Kämpf verspricht Hans Stöckli sich um die nächste Person im Literatur-Parcours zu bemühen.

Erfreulicherweise wird das eine ganz junge Schriftstellerin sein: Noemi Somalvico. Sie studiert nach der Matura Literatur in Biel und hat schon einige Texte auch im süddeutschen Raum platzieren können. Hans Stöckli ist gespannt und freut sich auf die nächste Begegnung am 10. Oktober 2015 im Literartur-Café in der Bieler Altstadt.

3) Noemi Somalvico, Biel

Ein neugieriges Augenpaar empfängt Hans Stöckli im Gewölbekeller des Bieler Literaturcafés. Tausende Bücher zieren die Wände und gemütliche Möbelstücke machen Lust auf stundenlanges Stöbern, Entdecken und dann sitzend in die verschiedenen Literaturgenres einzutauchen. Für wenig Geld lassen sich die Werke auch kaufen. Das Café ist ein Verein und wird von 12 Personen getragen. Der heutige Besuch von Hans Stöckli gilt einem Vereinsmitglied das dazu gehört: Noemi Somalvico. Dass sich die beiden heute treffen, geht auf eine vermittelte Vermittlung von Matto Kämpf zurück.

Soweit Noemi Somalvico zurückdenken kann, hat sie eigentlich schon immer geschrieben. Noemi Somalvico ist eine sehr junge Studentin am Schweizerischen Literaturinstitut, das nicht zuletzt auch mit Hilfe von Hans Stöckli seinen Sitz in Biel hat. Noemi Somalvico ist in der Endphase des Studiums an diesem Institut, wo allein schon die Aufnahme und Zulassung ein Erfolg ist. Was in angelsächsischen Ländern schon lange üblich ist, schwappt erst seit kurzer Zeit auf den deutschsprachigen Raum über: Kreatives Schreiben als Handwerk, das wenigstens bis zu einem gewissen Grad studiert und gelernt werden kann.

Soweit Noemi Somalvico zurückdenken kann, hat sie eigentlich schon immer geschrieben. Briefe, Tagebücher, kurze Erzählungen waren ihr immer Beschäftigung, ohne dass missionarische Absichten oder Gelüste zur Selbstverwirklichung im Vordergrund standen. Ja, vielleicht darf man sagen, dass das frühe Schreiben so eine «l’art pour l’art»-Attitüde war. Der Antrieb zu schreiben hat sich ohne Vorbilder in der Familie entwickelt.

Als ihren bis anhin grössten Erfolg dürfte die Kurzgeschichte «Noch vor Stockholm» gewertet werden. Es ist die Erzählung zweier Freundinnen, die beabsichtigen nach Stockholm zu reisen. Allerdings endet diese Reise bereits in Kopenhagen, also noch vor Stockholm. Walther Killy, der renommierte einstige Literaturprofessor an der Universität Bern, hat in seinen Seminaren als Einstieg immer den ersten Satz eines Werkes vorlesen lassen. Der erste Satz des Literaturwerkes von Noemi Somalvico lautet: «Irina fragt immer die wunderschönsten Dinge.» Könnte Sie dieser Satz neugierig machen und in Ihnen den festen Willen auslösen, weiterzulesen? Ohne grössere Übertreibung darf man wohl sagen, dass sich die meisten für eine positive Antwort entscheiden würden. Diese Erzählung wurde übrigens im SWR von einer Schauspielschülerin vorgetragen und ist im Internet einem breiten Publikum zugänglich.

Die (berufliche) Zukunft von Noemi Somalvico steht noch teilweise in den Sternen und hat sich, was ja wohl Natur der Sache ist, noch nicht konkretisiert. Sicher führt sie ihr Studium am Literaturinstitut zu Ende. Sicher wird sie weiterschreiben. Sicher wird sie auch an einem grösseren Projekt weiterarbeiten. Sie sagt über sich, dass sie gut sei im Weiterspinnen von gegebenen Ausgangslagen. Was wäre wenn? Konjunktivische Formulierungen liegen ihr. Wenn es ihr gelingt mit Inspiration und Phantasie weiter gut Formuliertes zu kreieren, werden wir noch viel Interessantes von Noemi Somalvico lesen und hören.

Der Parcours geht weiter. Am Samstag, 17. Oktober 2015 trifft Hans Stöckli Wilfried Meichtry in Burgdorf.

4) Wilfried Meichtry, Burgdorf

In der malerisch intakten Burgdorfer Altstadt begegnen sich Hans Stöckli und Wilfried Meichtry an einem winterkalten diesigen Oktobertag. Wilfried Meichtry mit markantem gesundgebräunten Gesicht lässt den Gedanken an einen Bergführer zu, dem man voll vertraut. Vorbei an Marktständen, die gerade abgebaut werden, - es ist Mittagszeit - gehen die beiden in ein naheliegendes Café. Der bärbeissige FAZ-Artikel von Lukas Bärfuss ist kein Thema in der Gesprächsaufwärmzeit: Hans Stöckli hat ihn noch nicht gelesen, Wilfried Meichtry findet ihn zumindest etwas überzeichnet.

Das erinnert stark an die Worte von Dürrenmatt, der einmal sagte: ein Mann habe einen Karren zu ziehen. Der aus Leuk-Susten stammende Meichtry lebt seit Jahren mit Frau und Kinder in Burgdorf. Er liebe natürlich das Wallis sehr, sei aber nicht im verbreiteten Sinn ein Heimwehwalliser, meint er. Nach einer klassisch akademischen Laufbahn mit Dissertation und Gymnasiumlehrerpatent hat er aber beruflich seit 2005 nun längst erreicht, was ihm schon immer vorschwebte. Er ist Schriftsteller, Bühnenautor, Drehbuchautor und Filmautor. Just zurzeit der Familiengründung hat sich dieser Wechsel vollzogen. Das erinnert stark an die Worte von Dürrenmatt, der einmal sagte: ein Mann habe einen Karren zu ziehen. Also etwas Ballast, das ihn in der Spur hält…

Ein kurzer Blick in die Zukunft zeigt, dass er bei der Verfilmung seines kürzlich erschienenen Buches «Die Welt ist verkehrt – nicht wir. Katharina von Arx und Freddy Drilhon» auch selber Regie führt. Diese Fähigkeit hat er sich mit «learning by doing» und in der Münchner Filmhochschule beigebracht. Geplant ist, dass der Film im 2017 in den Kinos und später im Fernsehen gezeigt werden soll.

Die Gabe, sich vielseitig künstlerisch auszudrücken, ist ihm nicht in die Wiege gelegt worden. Die Gabe, sich vielseitig künstlerisch auszudrücken, ist ihm nicht in die Wiege gelegt worden. Ausser vielleicht von seiner Grossmutter, die eine faszinierende Erzählerin gewesen sei, schmunzelt Wilfried Meichtry. Allerdings habe er bald bemerkt, dass es ihr mehr um den Plot und die Pointe gegangen sei, als um die Wahrheit! Verbreitet in sehr guter Erinnerung sind seine Biographien über Mani Matter und Iris und Peter von Roten («Verliebte Feinde»). Dem Mani Matter hinter dem Mani Matter, den wir alle als lustig-ernsten Liedermacher kennen, ist wohl kaum je ein Aussenstehender so nah gekommen wie Wilfried Meichtry. Den wenigsten ist bewusst, dass Mani Matter auch ein herausragender Analyst seiner Zeit, des 20. Jahrhunderts, gewesen ist. Politik mit all ihren Implikationen war hinter oder neben der Bühne sein grosses Betätigungsfeld.

Seinem Buch «Verliebte Feinde», in dem sich die Protagonisten Iris und Peter Roten in ihren Gegensätzen reiben, abstossen, aber auch anziehen, hat Meichtry ein Motto von Peter Härtling vorangestellt: Ich erfinde Gestalten, die es gegeben hat. Viel Treffenderes lässt sich auch kaum über das ganze Werk von Wilfried Meichtry sagen.

Meichtry ist daher wohl nicht nur ein Schriftsteller, der Biographien schreibt oder nachschreibt, sondern einer, der im Rahmen des grösstmöglichen Wahrheitsgehaltes, Gestalten wie Matter und die von Rotens (neu) erfindet und einem interessierten Publikum näher bringt oder wieder näher bringt.

Bei der Frage des Politikers Hans Stöckli, was sich der Kulturschaffende Wilfried Meichtry für erleichterte Produktionsbedingungen wünsche, mag die Antwort etwas erstaunen. Für Meichtry herrschen gute Rahmenbedingungen. Die Lebenskosten seiner vierköpfigen Familie tragen er und seine Frau zu etwa gleichen Teilen. Er habe allerdings lernen müssen, unternehmerisch zu denken. Literaturpreise und Stipendien seien zwar durchaus vorhanden, aber solches im Voraus zu budgetieren sei aber ja nicht möglich. Ein anregendes Gespräch geht zu Ende.

Auf Anraten von Wilfried Meichtry trifft sich Hans Stöckli in einem weiteren Parcours-Posten am Montag, 2. November 2015 mit Sandra Künzi in Bern.

5) Sandra Künzi, Bern

Fast hätte Hans Stöckli im labyrinthischen BO GA (Botanischer Garten für Uneingeweihte) die Begegnung mit Sandra Künzi verpasst. Doch plötzlich zwischen Palm Haus und Sukkulentsammlung ist es doch noch zum verabredeten Treffen gekommen. Ja, da die Sonne für kurze Zeit dem Nebel den Garaus machte, konnte die Begegnung kleidermässig gut eingepackt im Freien stattfinden. Da sich zusätzlich ein paar Interessierte im BO GA aufhielten, erhielten wir sogar Hilfe für eine kurze Fotosession.

Die Ideen für ihre Geschichten findet sie im Leben. Eine Kurzvorstellung von Sandra Künzi tönt etwas lapidar: geboren 1969 in Bern, lebt und arbeitet in Bern. Gehört zur ersten Generation des Schweizer Poetry Slams, schreibt heute für Bühne, Radio und Papier. Das traut man der quirligen und unerschrockenen Kulturschaffenden ohne weiteres zu. Hans Stöckli und der Schreibende lassen sich von der vitalen Ausdrucksweise von Sandra Künzi gerne mitreissen. Die Ideen für ihre Geschichten findet sie im Leben: Im Boga, am Paradeplatz, im Zug, in der Beiz oder am Mittelmeer. Wenn man lange an einem Ort verweile und beobachte, dann kommen die Geschichten von selbst. Schriftsteller mit der Urangst vom leeren weissen Blatt, könnten da nur neidisch werden…! Immerhin räumt Sandra Künzi ein, dass an den Pointen der Erzählungen lange geschliffen wird. Da überlässt sie dann nichts dem Zufall, und der Perspektivenwechsel wird bis zur absoluten Zufriedenheit erprobt. Und trotzdem findet sie schliesslich nur etwa einen von zehn ihrer Texte wirklich gut.

Als studierte Fürsprecherin arbeitet Sandra Künzi immer noch teilweise in diesem Beruf. Die Vielfältigkeit der beiden Tätigkeiten zum einen das genau Determinierte zum andern die künstlerische Freiheit, ja zum Teil auch die Provokation, das Überzeichnete faszinieren sie immer wieder aufs Neue. Auch wird es wohl so sein, dass sie gewisse (trockene) Stoffe rechtlichen Ursprungs auf die Bühne und aufs Papier bringt.

Hans Stöckli ist sich einig, dass Sandra Künzi die politischste Gesprächspartnerin im laufenden Parcours verkörpert. Angesichts der aktuellen Flüchtlingsproblematik stellt sich Sandra Künzi ganz konkret die Frage, wie sie sich als Künstlerin dazu verhalten soll. Ja, sie geht noch einen Schritt weiter und ist sich noch uneins, was für Antworten sie dann einst ihrem kleinen Sohn geben soll. Schliesslich passieren diese Ereignisse direkt von unserer Haustüre. Die Hassmails, die ihre Autorinnenfreundin Stefanie Grob nach ihrer September-Zytlupe bekam, haben sie beschäftigt. Sie verfasste daraufhin einen Kommentar zu dieser Angelegenheit auf Journal B. Gerade für Kulturschaffende findet sie es unabdingbar, Stellung zu beziehen und sich in gesellschaftliche Diskussionen einzubringen.

Ihr Herz gehört den Kurzgeschichten, den literarischen Cartoons, Liedern, Gedichten und dem mündlichen Ausdruck. Pläne für die Zukunft fasst sie zurzeit nicht, denn eigentlich ist Sandra Künzi mit ihrem Schaffen im Moment genau da, wo sie sein möchte: Als Mitglied der Lesebühne Luzern, liest sie einmal monatlich in der Loge Luzern, sie tritt regelmässig mit der Kontrabassistin Reg Fry oder mit der Autorinnencombo Tittanic auf und sorgt für träfe Schlusspunkte beim Mäntig Apéro des SRF Regionaljournal Bern Fribourg Wallis. Wichtig war für sie der Preis «Weiterschreiben» der Stadt Bern, den sie 2014 für ihre Arbeit und insbesondere für ihr Buch «Mikronowellen» erhielt. Natürlich hätte sie auch ohne eine solche Anerkennung weitergeschrieben, aber gut tat es schon. Auf die Frage von Hans Stöckli ob denn nun ein Roman geplant sei, mündet das Gespräch in die Diskussion über Qualität in der Literatur. Sandra Künzi bekundet Mühe mit der Ansicht, dass ein Roman das grösste Ziel von Schreibenden sein müsse. Sie kann sich gut vorstellen, ein Hörspiel, ein Theaterstück oder auch ein Drehbuch zu schreiben, aber ein Roman muss es nicht sein. Ihr Herz gehört den Kurzgeschichten, den literarischen Cartoons, Liedern, Gedichten und dem mündlichen Ausdruck. Wie sagte schon Theodor Fontane: wer viel redet (schreibt) ist ein reiner Mensch.

Der Parcours geht weiter. Am Samstag, 7. November 2015 trifft Hans Stöckli Thierry Luterbacher in Biel.

6) Thierry Luterbacher, Biel/Bienne

Etwas versteckt, in einem Bieler Aussenquartier, in Steinwurfweite eines geraniengeschmückten Gutshof à la Emmental, befindet sich eine ältliche Liegenschaft: Seit einiger Zeit das Zuhause von Thierry Luterbacher, dem sechsten und letzten Teilnehmer am Literatur-Parcours im Zusammenhang der Ständeratswahl von Hans Stöckli. Durch eine trutzige Holztür geht’s in den zweiten Stock zur funktionalen Wohnung, wo der junggebliebene Rentner Thierry Luterbacher und der Politiker Hans Stöckli wohl beide erwartungsvoll einander begrüssen.

Unlängst reiste Thierry Luterbacher mit seinem jüngsten Sohn Léo durch Kuba, ein nicht alltägliches Land, das auch Hans Stöckli gut kennt. Das gab schon guten Gesprächsstoff. Geführt in Biel/Bienne-typischer Zweisprachigkeit. Denken und schreiben erfolgt aber bei Thierry Luterbacher ausschliesslich in französischer Sprache. Seine bisherigen Romane sind alle im westschweizerischen Verlag Campiche erschienen. Einer allerdings wurde bis anhin auch ins Deutsche übersetzt: «Ein Kirschbaum im Treppenhaus».

Thierry Luterbacher, in Biel und Péry-Reuchenette aufgewachsen und ‚erzogen‘, ist Schriftsteller und Journalist. Natürlich war und ist er weit mehr: Maler, Filmemacher, Dramaturg usw. Aber es darf wohl gesagt werden, dass er so wie er jetzt ist, eigentlich ist. Journalist als Beruf und Schriftsteller als Berufung. Für Aussenstehende erscheint das bisherige Leben von Thierry Luterbacher zumindest sehr abenteuerlich: Nach der achten Klasse Abgang vom französischen Progymnasium in Biel. Der stille Querdenker hat sich an Familie und Institutionen gerieben und vieles mit siebzehn Jahren hinter sich gelassen. Es folgten Reise- und Wanderjahre nach Israel, in den damaligen Ostblock, die USA, Marokko usw. Der frühe Rucksacktourist kam, wenn seine Reisekasse leer war, immer wieder für ein paar Monate in die Schweiz zurück, um bezahlte Arbeit jeglicher Couleur zu verrichten.

Er ist, wie er gerne selber sagt, ein ‚sans papier‘, nicht der Herkunft wegen, sondern weil er sein Können und seine Art mit Dingen umzugehen, mit keinem Diplom, Zertifikat oder Lehrabschluss belegen kann. Die Eindrücke, Erlebnisse und Gedanken dieser Reisen hat er immer schon visuell als Maler und sozusagen vertont als Schriftsteller festgehalten. Erstaunlicherweise hat er aber in dieser Zeit nichts davon publiziert. Es scheint, als ob zuerst für all das Schaffen ein gewisser Reifegrad erreicht werden musste. Die späteren weiteren zehn Arbeitsjahre in Paris, wo er mit Theater- und Filmleuten in Kontakt kam, die weiteren Jahre nach der Rückkehr dann in Romont und Biel als Bauer (ja wirklich: Landwirt) und Journalist (sein erster Artikel für die Wochenzeitung Biel-Bienne galt dem damaligen Stadtpräsidenten Hans Stöckli) hat Thierry Luterbacher mit Erfolg durch nichts weiter als seiner Persönlichkeit geschafft. Denn er ist, wie er gerne selber sagt, ein ‚sans papier‘, nicht der Herkunft wegen, sondern weil er sein Können und seine Art mit Dingen umzugehen, mit keinem Diplom, Zertifikat oder Lehrabschluss belegen kann. Was implizit natürlich auch heisst: er versteckt sich hinter gar nichts. Stellt sich autonom als Person den Dingen, die das Leben von uns fordert.

Thierry Luterbacher ist ein explorativer Schriftsteller. Er geht von visuellen alltäglichen Dingen aus und lässt sich dann zu weiteren Bildern treiben. Thierry Luterbacher ist ein explorativer Schriftsteller. Er geht von visuellen alltäglichen Dingen aus und lässt sich dann zu weiteren Bildern treiben. Schliesslich fasst er dies in Worte, die aber den richtigen Klang haben müssen, sonst lässt er sich so lange inspirieren, bis es tonmässig und klanglich passt. Auf diese Art und Weise sind bis jetzt sechs Romane erschienen. Thierry Luterbacher hat den Erfolg nicht gesucht, aber mit dem Erscheinen seines ersten Romans im Jahre 2001 hat der Erfolg ihn je länger je mehr gefunden. Erfreulicherweise schlägt sich dies auch in diversen Literaturpreisen und steigender Anerkennung bis jetzt vor allem in der Westschweiz und in Frankreich nieder.

Am Sonntag, 15. November wird Thierry Luterbacher aus dem Manuskript seines neusten, dem siebenten Roman vorlesen. Darauf dürfen wir uns freuen und vielleicht im Kleinen etwas dafür tun, dass Thierry Luterbacher auch in der Deutschschweiz die verdiente Resonanz erhält.

Schluss-Etappe

An der Schluss-Etappe im Tramdepot Burgernziel, Thunstrasse 104 – 106 in Bern am 15. November 2015 nahmen alle sechs Besuchten teil: Pedro Lenz, Matto Kämpf, Noemi Somalvico, Wilfried Meichtry, Sandra Künzi und Thierry Luterbacher.
Die Moderation besorgte Daniel Rothenbühler.

les étapes

1 Pedro Lenz | Bern & Olten | 25. Sept 2015

2 Matto Kämpf | Bern | 5. Okt 2015

3 Noemi Somalvico | Bienne | 10. Okt 2015

4 Wilfried Meichtry | Burgdorf | 17. Okt 2015

5 Sandra Künzi | Bern | 2. Nov 2015

6 Thierry Luterbacher | Bienne | 7. Nov 2015

Schluss-Etappe | Bern | 15. Nov 2015